Kolonialismus Militarismus

Wissmann-Denkmal, Hamburg

von Leah Niederhausen

Trotz zunehmender Aufmerksamkeit in den letzten Jahren ist der kritische Umgang mit Denkmälern im öffentlichen Raum kein neues Thema in Deutschland. Vor allem im Kontext der Studierendenproteste der 1960er Jahre wurden Standbildern von fragwürdigen deutschen Herrschaftsfiguren angeprangert und gestürzt. Eins davon war das Denkmal von Hermann von Wissmann (kurz Wissmann-Denkmal) in Hamburg, das seitdem mehrfach reframed wurde.

DAS DENKMAL

Dargestellt waren drei Bronzefiguren auf einem Sandsteinsockel. An der Spitze stand der deutsche Kolonialist Hermann von Wissmann (1853 – 1905). Aufrecht auf sein Schwert gestützt, in Uniform und Tropenhelm, erinnerte er an charakteristische Abbildungen von Kolonialisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wissmann zu Füßen stand die Statue eines Askaris,[1] der eine Reichsflagge über einen bronzenen erlegten Löwen hielt. In der Anordnung der Figuren sowie in der im Vergleich zur Askari Figur überlebensgroße Darstellung Wissmanns unterstrich das Denkmal die ideologische Hierarchie von westlichen weißen Kolonialmächten gegenüber der einheimischen Schwarzen Bevölkerung.


[1] Als Askari wurden einheimische Soldaten bezeichnet, die in koloniale Gruppen eingezogen wurden.

DIE ENTSTEHUNG

Nach Wissmanns Tod 1905 wurde er als Kolonialheld und „Deutschlands größter Afrikaner“ gefeiert. Zu seinen Ehren wurde 1908 das Wissmann-Denkmal nach einem Entwurf von Adolf Kürle (1865 – 1912) in Daressalam in Deutsch-Ostafrika (heutiges Tansania, Ruanda und Burundi) eingeweiht. Nachdem Deutschland im Zuge des Versailler Vertrags all seine Kolonialgebiete abtreten musste, wurde das Denkmal zunächst als Kriegsbeute nach London verschifft. Erst 1922 gelang es der deutschen Kolonialbewegung, das Denkmal nach Hamburg überführen zu lassen, wo es vor der Hamburger Universität aufgestellt wurde.

„Das Wißmann-Denkmal ist das Denkmal Deutsch-Ostafrikas […] darüber hinaus das allgemeine Kolonialdenkmal Deutschlands, das die Erinnerung an das Verlorene wachhalten und das Streben nach dem Wiedererwerb des überseeischen Kolonialgebietes mahnen soll.“

Anlässlich zur Einweihung in Hamburg schrieben die Hamburger Nachrichten

DER HINTERGRUND

Von 1885 bis 1919 war Deutsch-Ostafrika eine Kolonie des Deutschen Reichs und umfasste die Regionen des heutigen Tansanias, Ruandas und Burundis. Hermann von Wissmann war Reichskommissar und damit zuständig für den Aufbau einer „Schutzgruppe“. Mit dieser „Schutzgruppe“ schlug Wissmann zahlreiche Proteste und Aufstände der einheimischen Bevölkerung blutig nieder. Es ist unklar, wie viele Menschen genau während der deutschen Kolonialzeit in Deutsch-Ostafrika ermordet wurden, alleine der Maji-Maji-Aufstand (1905 – 1907) kostete schätzungsweise 300.000 Einheimischen das Leben.

DER STURZ

In den 1960er Jahren kam zunehmend Kritik am Wissmann-Denkmal auf. Insbesondere Studierende der Universität Hamburg wollten auf das koloniale Erbe Hamburgs und Deutschlands in öffentlichen Protesten und Publikationen aufmerksam machen. 1967 stürzten Studierende das Wissmann-Denkmal. Die Universität baute das Denkmal erneut auf, woraufhin Studierende 1968 einen erneuten Sturz unternahmen. Diesmal blieb nur eine Bruchstelle des Sockels stehen.

DAS REFRAMING

Nach dem zweiten Sturz lagerte die Stadt Hamburg das Denkmal im Stadtdepot ein. Immer wieder steht es jedoch für verschiedene Reframingversuche zur Verfügung. 1987 war das Denkmal Teil der Ausstellung Männersache – Bilder, Welten, Objekte in Hamburg, wobei das Standbild symbolisch auf den Rücken gelegt wurde, dem Sturz nachempfunden. 2004/05 wurde das Denkmal für 14 Monate an den Hamburger Landungsbrücken installiert. Im Gegensatz zur vorhergegangenen Ausstellung blieb das Denkmal diesmal aufrecht stehen, Ziel war ein partizipativer Austausch mit der Hamburger Bevölkerung über die Rolle des Denkmals im Hamburger Stadtbild. 2016/2017 beziehungsweise 2018/19 wiederum integrierten jeweils das Deutsche Historische Museum und das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg die Statue Wissmanns umgestürzt und mit Farbe besprüht in ihre Ausstellungen.

Noch ist keine längerfristige Lösung für den Umgang mit dem Wissmann-Denkmal gefunden. Und doch trägt es essenziell zu einer kritischen Reflektion von kolonialen Denkmälern in Deutschland bei, nicht nur bei der Thematisierung anderer Wissmann-Denkmäler, sondern im Umgang mit der deutschen Kolonialvergangenheit im Allgemeinen.

QUELLEN

 http://www.afrika-hamburg.de/denkmal.html

https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/aussenpolitik/die-kolonie-deutsch-ostafrika.html
https://www.deutschlandfunkkultur.de/tansania-stolz-auf-den-aufstand-gegen-deutsche-herrschaft-100.html
https://kolonialismus.blogs.uni-hamburg.de/50-jahre-denkmalsturz-der-sturz-des-wissmann-denkmals-an-der-universitaet-hamburg-1967-68/
https://www.dhm.de/blog/2017/04/20/denkmal-von-hermann-von-wissmann/