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Richard-Wagner-Denkmal, Leipzig

von Katharina Kempf

Bei dem massiven Mamorkoloss nahe der Leipziger Innenstadt, auf dem ein aus der Zeit gefallener Wagner thront, stellt man sich die Frage, was problematischer ist: der Dramatiker selbst oder wie es zu dem Denkmal ihm zu Ehren kam. Ein Zeitstrahl des Kopfschüttelns. 

DAS DENKMAL

Auf einer Treppe, die den Zugang zum ehemaligen Stasi-Gebäude dahinter ebnet, prangt das monumentale Wagner-Denkmal an der Nordwestseite der Leipziger Innenstadt. 2013 wurde es anlässlich seines 200. Geburtstages enthüllt und besteht aus drei Teilen. Der 2×2,9 Meter große Marmorsockel ist ringsherum und reliefartig mit überlebensgroßen Figuren aus Wagners Werk geschmückt, die sein ewiges Streben nach dem „Gesamtkunstwerk“ verbildlichen. Auf dem Sockel steht ein 1,80 Meter großer, farbig bemalter Bronzeabguss des jungen Wagners mit blauem Jackett und roter Fliege. In Wahrheit maß Wagner 1,66 Meter. Wie ein dunkler Schatten ragt dahinter eine vier Meter hohe schwarze Bronzeplatte empor, die den Umriss des älteren Wagners abbildet. Die Idee für ein monumentales Wagner-Denkmal hat ihren Ursprung bereits im Jahr 1904. Erst 1933 wurde jedoch der Marmorsockel entworfen und weitere 80 Jahre gingen ins Land, bevor der obere Teil hinzugefügt und das Denkmal enthüllt wurde.

DIE CHRONOLOGIE

1904

Der Leipziger Bildhauer Max Klinger (1857-1920) liefert die erste Idee für ein Wagner-Denkmal. Die Vision: eine fünf Meter große Wagnerfigur aus Marmor, die auf einem drei Meter hohen Sockel steht.

1920

Klinger stirbt, fertiggestellt ist nur der Sockel.

1931

Der Oberbürgermeister Leipzigs, Carl Friedrich Goerdeler, nimmt das Projekt wieder auf und schreibt einen offenen Ideenwettbewerb zur Gestaltung des Denkmals aus.

13.02.1933

Zu Ehren des 50. Todestages Wagners wird eine Feier ausgerichtet, auf der Goerdeler sein Vorhaben offiziell bekannt gibt. Als Ehrengast ist auch der neue Reichskanzler anwesend: Adolf Hitler, welcher hoch auf begeistert ist.

Wenige Wochen später:

Der Stuttgarter Bildhauer Emil Hipp (1893–1965) gewinnt den Wettbewerb. Jedoch setzt er Klingers Arbeit nicht fort, sondern macht einen neuen, noch monumentaleren Entwurf. 4,5 Meter hoch und 10 Meter breit soll das Denkmal werden. Hitler ist dabei über die Maße involviert und nun der Auftraggeber, was vorher das Leipziger Denkmalkomitee war. Hipp hat den Entwurf den Wünschen Hitlers entsprechend zu verändern.

6.März 1934

Am Fleischerplatz findet eine imposant inszenierte Grundsteinlegungsfeier statt. Ehrenstürme der SS und SA, Bannerträger der NSDAP, mehrere tausend Zuschauende sind anwesend. Ein mit 1600 Sänger:innen besetzter Chor untermalt die gigantische Selbstinszenierung. Das Wagnerdenkmal sollte nun nicht mehr nur den verflossenen Komponisten ehren, sondern als Aushängeschild der NS-Ideologie dienen. Doch wieder verzögert sich der Arbeitsprozess.

1944

Erst jetzt sind die Einzelteile fertiggestellt, doch zur Errichtung kommt es auf Grund des Kriegsverlaufes nicht.

1947

Die Stadt Leipzig kündigt bestehende Verträge. Die Einzelteile werden nie nach Leipzig gebracht und stehen am Ort ihrer Entstehung, auf dem Gelände eines Steinmetzbetriebs im bayerischen Kiefersfelden herum. Kurz darauf verkauft der Betrieb die Einzelteile.

2008

Die Stadt entscheidet nun, nachträglich doch das Originaldenkmal (Klinger) zu errichten und im Mai 2013 (200. Geburtstag Wagners) zu enthüllen.

2009

Ins Denkmalgremium wird jedoch der Wagner-Denkmal e.V. aufgenommen, der sich für eine kritische Wagner-Rezeption und ein zeitgenössisches Monument ausspricht, anders als der Richard-Wagner-Verband, der für die Originalversion gestimmt hatte. Wieder wird ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben.

2011

Der Entwurf des Bildhauers Stephan Balkenhol (*1957) gewinnt den Wettbewerb. Inzwischen wurde der Klinger-Sockel in die Treppenanlage in den Grünanlagen am Goerdelerring verlegt. Auf diesen stellt Balkenhol eine lebensgroße Wagnerfigur, dahinter den riesigen Schatten.

22. Mai 2013

Das fertige Denkmal wird enthüllt und teils mit einem Kopfschütteln der Leipziger:innen quittiert. Der Richard Wagner Verband ist von der Umsetzung entsetzt.

Mittlerweile sind ein paar der verkauften Einzelteile von Emil Hipp wieder aufgetaucht. Zwei davon wurden von der Stadt und dem Richard-Wagner-Verband angekauft und befinden sich heute im 15 km von Leipzig entfernten Ermlitz. Die Mitglieder des Wagner-Verbandes streben jedoch an, dass sie dort aufgestellt werden, wo es einmal vorgesehen war, nämlich auf dem Gelände des nicht verwirklichten Denkmals in Leipzig.

DAS REFRAMING

Ab dem 27.01.2023 wird es im Stadtgeschichtlichen Museum die Ausstellung „Hakenkreuz und Notenschlüssel. Die Musikstadt Leipzig im Nationalsozialismus“ geben. Dann sollen die Reliefs in ihrem historischen Kontext ausführlich beleuchtet werden. Eine Kontextualisierung bspw. in Form einer Infotafel, die über die Umstände der Entstehungsgeschichte, die Rolle Hitlers und des Nationalsozialismus oder auch nur Wagners als problematische Figur aufklärt, sucht man vergebens, obwohl sie durchaus vermisst wird.

QUELLEN

https://www.monopol-magazin.de/wagner-denkmal-leipzig-kontroverse

https://www.leipzig-lese.de/sehenswuerdigkeiten/denkmaeler/zur-geschichte-der-wagner-denkmale-in-leipzig/

https://www.leipzig-lexikon.de/DENKMAL/WAGNER1.HTM

https://www.deutschlandfunk.de/stadt-kauft-kunstwerke-an-wagner-denkmal-kehrt-zurueck-nach-100.html

https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/160065/richard-wagners-antisemitismus/