Denkmal Nationalsozialismus

Genio dello Sport in Rom

von Leah Niederhausen

Das Reframing wird zunehmend als Möglichkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit Denkmälern im öffentlichen Raum gesehen. Allerdings kann die Veränderung von Denkmälern auch das gegenteilige Ziel verfolgen; das Verdrängen von problematischer Geschichte, mit der sich nicht auseinandergesetzt werden will oder kann. Ein solches Beispiel ist der Umgang mit dem Genio dello Sport in Rom.

DAS DENKMAL

Auf einem Steinsockel erbebt sich die rund zwei Meter hohe Bronzestatue eines nackten, jungen Mannes. Die rechte Hand ist zum faschistischen Gruß erhoben, beide Hände sind mit Riemen zur Vorbereitung auf einen Boxkampf versehen und auf dem Kopf trägt er einen Lorbeerkranz – Symbol für Sieg und Erfolg. Unterhalb der Füße steht eingraviert: „Genio dello Sport“, das Genie des Sports.

Copyright: Leah Niederhausen

DIE ENTSTEHUNG

Das Denkmal wurde von Italo Griselli (1880 – 1958) entworfen und 1939 eingeweiht. Damit war das Denkmal der erste fertig gestellte Teil des EUR Komplexes, ein Areal südlich von Rom, das Benito Mussolini (1883 – 1945) zur Verherrlichung seines faschistischen Regimes bauen ließ. Eine Vielzahl von Gebäuden, Straßen und Statuen unterstreichen den faschistisch-italienischen Herrschaftsanspruch. Ziel Mussolinis war es, das Areal als Austragungsort der 1942er Weltausstellung zu nutzen, die jedoch auf Grund des Kriegsverlaufs abgesagt wurde.

DER HINTERGRUND

1922 wurde Benito Mussolini demokratisch zum italienischen Ministerpräsidenten gewählt. In den folgenden 21 Jahren seiner Regentschaft etablierte er eine faschistische Diktatur mit seiner eigenen Person im Zentrum. Presse- und Meinungsfreiheit wurden eingeschränkt, politische Gegner:innen brutal verfolgt und die kolonialen Gebiete Italiens ausgeweitet. Mussolini sah Italien dabei als natürlichen Nachfolger des antiken Roms und dadurch anderen Nationen übergeordnet. Das faschistische Italien galt als Vorbild für andere Diktaturen, allen voran Nazi-Deutschland. Mussolini verbündete sich mit Hitler im Zweiten Weltkrieg, der schätzungsweise mehr als 70 Millionen Menschen das Leben kostete.

Copyright: Leah Niederhausen

DAS REFRAMING

Mussolini wurde 1943 abgesetzt und 1945 von Partisan:innen ermordet. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs galt es die faschistische Vergangenheit Italiens so schnell wie möglich zu verdrängen, um einen allgemeinen Opfernarrativ entsprechen zu können. Zu diesem Zweck wurde das Genio dello Sport reframed. Zum einen wurden die Boxriemen hinzugefügt, um von dem faschistischen Gruß abzulenken und den Sportaspekt in den Vordergrund zu rücken. Zum anderen wurde die Inschrift geändert: Im Original war der Name der Statue noch „Genio dello Fascisme“ gewesen, das Genie des Faschismus.

Der Fall des Genio dello Sport zeigt, dass Reframing nicht immer gleich Reframing ist. Die Rekontextualisierung eines Denkmals, ohne tatsächlichen Wunsch nach Auseinandersetzung kann Geschichte verdrängen, anstatt sie aufzuarbeiten. Es ist also wichtig, bei jedem Reframingversuch dahinterliegende Interessen und Motivationen kritisch zu hinterfragen.

QUELLEN

https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/147468/vor-90-jahren-benito-mussolini-kommt-an-die-macht/

https://www.future-history.eu/de/ansicht/genio-dello-sport-roma-2018-romexkursion2018

https://www.walksinrome.com/blog/the-genio-dello-sport-by-italo-griselli-palazzo-degli-uffici-eur-rome