Kolonialismus

Kolonial Denkmal Braunschweig

von Katha Kempf

Das Kolonialdenkmal in Braunschweig wurde 1925 errichtet, später jedoch von den Nationalsozialisten für ihre Propaganda genutzt. In jüngerer Zeit gab es kontroverse Diskussionen über den Erhalt des Denkmals und wird nun im Rahmen einer kritischen Erinnerungskultur betrachtet. Pläne für eine weitere Aufarbeitung, Aufklärung und einen künstlerischen Wettbewerb sind derzeit in Arbeit.

DAS DENKMAL

Der massive Steinsockel am Rand des Stadtparks zeigt auf der Vorderseite einen Löwen, der mit seiner Pranke eine Weltkugel mit den Umrissen von Afrika und Indien hält. Der Schriftzug darunter lautet „Gedenket unserer Kolonien und der dort gefallenen Kameraden“. Auf beiden Schmalseiten sind deutsche Kolonien aufgelistet. Die Rückseite zeigt das Sternenbild des Kreuzes des Südens, darunter der Schriftzug „Per aspera ad astra“ („Durch Mühsal zu den Sternen“).

DER HINTERGRUND

Der Verein ehemaliger Ostasiaten und Afrikaner zu Braunschweig rief 1925 zu Spenden für ein Kolonialdenkmal in Braunschweig auf, das dann von dem Bildhauer Jakob Hoffmann modelliert und 1925 eingeweiht wurde. Das Denkmal sollte die Erinnerung an die gefallenen Soldaten in den Kolonien wachhalten und ihren Kampfesmut symbolisieren. Trotz seiner geringen Mitgliederzahl schaffte der Verein es, das Denkmal mit Spenden zu finanzieren und eine große Einweihungsfeier mit hochrangigen Gästen zu organisieren.

Die Nationalsozialisten instrumentalisierten die Erinnerungskultur der Weimarer Republik für ihre eigenen Zwecke. Am Volkstrauertag 1933 legten Nationalsozialisten Kränze an dem Denkmal für die Kolonialsoldaten nieder. Die NS-Propaganda monopolisierte die Kolonialerinnerung, um die kolonialen Machenschaften und Mythen in den Kult des neuen Regimes zu integrieren.

Ab der Nachkriegszeit geriet die deutsche Kolonialgeschichte in Vergessenheit. Die junge Bundesrepublik hatte kein Interesse an einer kritischen Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit. Erst 1962/63 forderte der Braunschweiger Bürger Friedhelm Hanse in einem Brief an den Oberstadtdirektor, das Kolonialdenkmal aufgrund seiner rassistischen Symbolik zu entfernen. Die Mitglieder des Kulturausschusses setzten sich jedoch für den Erhalt des Denkmals ein.

Die SPD-Ratsfraktion beantragte im Herbst 1990 im Stadtbezirksrat des Östlichen Ringgebietes die Versetzung des Kolonialdenkmals, was zu Kontroversen in der Lokalpolitik führte. Die Sozialdemokraten argumentierten, dass das Denkmal an der falschen Stelle stehe und in Konflikt mit dem Straßennamen gerate, der nach dem Sozialdemokraten Heinrich Jasper benannt ist. Jasper starb 1945 im KZ Bergen-Belsen. Das Denkmal als Gedenkstätte für Tote gehöre auf einen Friedhof oder in ein Museum als geschichtliches Zeugnis. Es bedürfe eines hohen Maßes an politischer und historischer Kompetenz, um bei der Einschätzung des Denkmals nicht zu zeitfremden Schlüssen zu kommen. Es könne außerdem als Aufhänger rechtsradikaler Tendenzen in der Politik dienen. Die CDU-Fraktion und das Bauordnungsamt argumentierten jedoch, dass das Denkmal ein historisches Zeugnis sei, das zur Auseinandersetzung mit Geschichte an Ort und Stelle erhalten bleiben sollte. 1993 führte Reinhard Bein, ein Braunschweiger Lehrer, ein Projekt zum Braunschweiger Kolonialdenkmal durch, um dessen Geschichte zu erforschen. Die Ergebnisse des Projekts wurden in einer Publikation in der Fachzeitschrift Praxis Geschichte des Braunschweiger Westermann-Verlags veröffentlicht.

DAS REFRAMING

Das Jahr 2004 markiert den Beginn eines Umdenkens in der Erinnerungskultur und führte schließlich dazu, dass das Denkmal seine Funktion als Kriegerdenkmal verlor. Die öffentliche Auseinandersetzung, die folgte, zeigt den Wandel hin zu einer kritischen Erinnerungskultur. Ein Farbanschlag und eine öffentliche Kundgebung im Gedenken an die Opfer des deutschen Kolonialismus fanden statt. Schüler:innen luden den Direktor des Landesmuseums ein, um über das Denkmal zu sprechen. Eine einordnende Erklärungstafel wurde vor dem Kolonialdenkmal aufgestellt, was den ersten Schritt in der Aufarbeitung der Denkmalgeschichte darstellt. Im Sommer 2006 fand an der IGS-Franzsches Feld eine Arbeitsgemeinschaft zum Kolonialdenkmal statt, die das aus ihrer Sicht eher unbekannte Denkmal etwas mehr in das Bewusstsein der Menschen bringen wollte. Dazu verhüllte die Gruppe das Denkmal unter dem Motto Denk mal anders mit einem weißen Tuch und ergänzte es mit Spruchbändern, die zum Nachdenken anregen sollten: „Der Kilimandscharo heißt jetzt Kaiser-Wilhelm-Spitze. Er ist der höchste Berg Deutschlands.” Es gab jedoch auch kritische Stimmen. Ein Zwischenfall am Denkmal zeigt, dass es zu Meinungsverschiedenheiten über die Aktion kam: „Ein ‚junger Mann‘ hielt die Verhüllungsaktion aufgrund des angebrachten Zitats (‚Der Kilimandscharo heißt jetzt Kaiser-Wilhelm-Spitze. Er ist der höchste Berg Deutschlands‘) für eine Aktion von Rechtsradikalen. Kurzerhand zerriss er die Verhüllung, knickte eine erläuternde Tafel um, klemmte sich selbige unter den Arm und marschierte damit ins Rathaus, um sich bei der Fraktion der Grünen zu beschweren.“ Kristen, Claus & “Till Eulenspiegel”: Nachtrag vom 11.8.2006 freiburg-postkolonial.de

Zwischen 2015 und 2016 wurde das Kolonialdenkmal oft als Projektionsfläche genutzt, um Themen wie die Geflüchtetensituation oder die Black-Lives-Matter-Bewegung zu diskutieren. Es bildete eine Brücke zwischen digitaler Debatte und analogem Protest. Unbekannte gruben vor dem Kolonialdenkmal ein symbolisches Grab als Teil der bundesweiten Protestaktion #dietotenkommen aus. 2016 veröffentlichten die Braunschweiger Geschichtsstudenten Lars Hybsz und Fabian Lampe eine Website zum Kolonialdenkmal, die dessen Geschichte behandelte und Aktionen und Debatten in der jüngeren Vergangenheit dokumentierte.

Aktuell ist laut Seite der Stadt Braunschweig weitere Aufarbeitung, Aufklärung und ein künstlerischer Wettbewerb geplant.

QUELLEN

https://www.braunschweig.de/kultur/erinnerungskultur/kolonialdenkmal.php

https://www.tu-braunschweig.de/ibrg/projekte/braunschweiger-kolonialdenkmal

https://kolonialdenkmal-braunschweig.de

www.der-loewe.info/geschichte-wird-nicht-besser-indem-man-sie-entsorgt