Denkmal Erinnerungsort Kolonialismus Nationalsozialismus

Schwarze Geschichten in der Einnerungskultur

In der Erinnerungskultur Europas sind Schwarze Geschichten unterrepräsentiert oder werden sogar ganz ausgeblendet, obwohl sie einen bedeutenden Teil der Geschichte des Kontinents ausmachen. Diese Geschichten und Erfahrungen werden oft innerhalb von Schwarzen Communities weitergegeben, während sie im breiteren gesellschaftlichen Diskurs kaum Raum finden. Stattdessen werden Errungenschaften weißer Menschen in der Geschichte glorifiziert. In Deutschland leben heute mehr als eine Millionen Menschen afrikanischer Abstammung, die seit über 400 Jahren Teil der deutschen Gesellschaft sind. Dennoch sind Verbrechen der Vergangenheit, wie Versklavung und Genozide während des deutschen Kolonialismus bis heute nicht annähernd ausreichend aufgearbeitet und prägen spürbar rassistische Ausgrenzung und Gewalt in der Gegenwart. Für einen Wandel der Gesellschaft ist es unumgänglich, die Geschichte zu aufzuarbeiten und Schwarze Realitäten in die deutsche Erinnerungskultur zu integrieren, da sie ebenso ein Teil von ihr sind. Deswegen stellen euch Leah, Jenni und Katha jeweils ein Thema zu Schwarzer Geschichte und Erinnerungskultur vor. 

Stolpersteine für Schwarze Opfer des Nationalsozialismus

2023 wurden in Berlin sechs Stolpersteine für Schwarze Menschen verlegt. Dadurch wird einer Opfergruppe gedacht, die im öffentlichen Diskurs oftmals vergessen wird: Schwarze Opfer des Nationalsozialismus.  

Stolpersteine sind eine der bekanntesten Denkmalinitiativen Europas. Seitdem der Kölner Künstler Gunter Demnig die Initiative 1992 gründete, hat er über 100.000 Stolpersteine in mehr als 1.200 deutschen Kommunen und 21 Ländern verlegt. Jeder Stein, der im öffentlichen Raum auf den Bürgersteigen vor Wohnhäusern gelegt wird, gedenkt dabei einem Menschen, der einst in jenem Haus wohnte und Opfer des Nationalsozialismus wurde. „Ein Mensch ist vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, so Demnig. Er selbst fasst sein Projekt wie folgt zusammen:  

„Ein Kunstprojekt für Europa von Gunter Demnig. Ein Projekt, das die Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Zigeuner / Sinti und Roma, der Politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Nationalsozialismus lebendig hält.“  


In der Auflistung fehlen jedoch Schwarze Menschen, eine Opfergruppe, die noch immer zu oft vergessen wird in deutscher Nachkriegserinnerungskultur. Erst 2007 wurde der erste Stolperstein für einen Schwarzen Menschen verlegt. Der Stein gedenkt Mahjub bin Adam Mohamed, der als Kind Teil der deutschen Kolonialarmee im damaligen Kolonialgebiet Deutsch-Ostafrika gewesen war und der 1941 von Berlin in das KZ Sachsenhausen deportiert wurde, wo er 1944 verstarb. Seit 2007 sind noch neun weitere Stolpersteine für Schwarze Menschen in Deutschland verlegt worden. Sie erinnern an Martha Ndumbe, Ferdinand James Allens, Hans-Joachim Aqua Kaufman, Zoya Gertrud Aqua Kaufman, Benedikt Gambe, Charlotte Retting, Hagar Martin Brown, Erika Diek, später Ngambi ul Kuo, und Ludwig M’bebe Mpressa.  

Schwarze Menschen im Nationalsozialismus

“Afrikaner sind die vergessenen Opfer des nationalsozialistischen Deutschlands”, so die Afrikanologin Prof. Marianne Bechhaus-Gerst. Schwarze Menschen galten in der nationalsozialistischen Ideologie als Gefahr für die „Reinheit der arischen Rasse“. In den Verordnungen der Nürnberger Gesetze 1935 wurde festgelegt, dass Schwarze von der Reichsbürgerschaft ausgeschlossen und dass Eheschließungen mit weißen verboten waren. Hunderte Jugendliche und Kinder von Schwarzen Männern und weißen Frauen wurden 1937 zwangssterilisert und Schwarze Menschen wurden für medizinische Experimente im Rahmen des nationalsozialistischen Euthanasieprogramms missbraucht. Obwohl Schwarze Menschen nicht systematisch deportiert wurden wie andere verfolgte Gruppen, kamen viele von ihnen unter dem Vorwand der „Rassenhygiene“ oder des „asozialen Verhaltens“ in Konzentrationslagern ums Leben. Dennoch ist die Verfolgung und Ermordung Schwarzer Menschen nicht offiziell anerkannt in deutscher Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung. Es gibt kein Denkmal, keinen Gedenktag, und den meisten Menschen ist die Geschichte Schwarzer Menschen im Nationalsozialismus wohl unbekannt. 

Mehr Erinnerung, nicht weniger 

Genau deswegen sind die Verlegungen von Stolpersteinen für Schwarze Menschen so wichtig – nicht nur, weil sie einer oftmals vergessenen Opfergruppen gedenken, sondern weil die Stolpersteine als bekanntes Symbol für den jüdischen Holocaust verdeutlichen, wie verschiedene Opfergruppen die Erinnerung aneinander verstärken können. Erinnerung hat kein begrenztes Kontingent, durch das mehr Erinnerung an eine Gruppe automatisch weniger Erinnerung an eine andere bedeutet. Wie Tahir Della von der Initiative für Schwarze Menschen zusammenfasst: „Eine Opferkonkurrenz gibt es glücklicherweise nicht. Ich erwähne das, um deutlich zu machen, dass es uns nicht darum geht, die Verfolgungsgeschichte von anderen zu verdrängen, sondern im Gegenteil deutlich zu machen, dass das Spektrum von Menschen, die während der NS-Zeit verfolgt worden sind, sehr viel größer ist, als es uns oft vermittelt wird.“ 

Denkmäler in Deutschland

In der Erinnerungskultur Deutschlands sind Schwarze Menschen kaum präsent. Während hunderte Denkmäler Menschen glorifizieren, die den deutschen Kolonialismus vorangetrieben haben, sind Denkmäler, die die Geschichte Schwarzer Menschen würdigen, kaum zu finden. Dieser Mangel an Repräsentation spiegelt eine tief verwurzelte Ungleichheit wider und verstärkt ein einseitiges Narrativ der Geschichte. Es ist an der Zeit, diese Schieflage anzuerkennen und aktiv für eine inklusivere Erinnerungskultur einzutreten, die die Vielfalt und die Erfahrungen aller Bevölkerungsgruppen widerspiegelt. Die Abwesenheit von Denkmälern für Schwarze Menschen in Deutschland ist nicht nur ein Versäumnis, sondern auch ein Zeichen dafür, dass rassistische Strukturen in der Gesellschaft weiterhin bestehen und durch das Hinnehmen von Täter:innen und Unterdrückten perpetuiert werden. Es ist an der Zeit, die blinden Flecken in der Erinnerungskultur zu füllen und die Geschichten und Errungenschaften Schwarzer Menschen angemessen zu würdigen. Im Folgenden werden deswegen vier Denkmäler in Deutschland vorgestellt, die Schwarzen Menschen gewidmet sind und somit einen wichtigen Schritt in Richtung einer inklusiveren Erinnerungskultur darstellen.  

Mahnmal in Bremen 

In Bremen erinnert ein unscheinbares Denkmal an ein dunkles Kapitel der Geschichte: Ein Kreis aus Steinen, die aus der Omaheke-Wüste stammen, erinnert an den Genozid an den Herero und Nama im Jahr 1904, bei dem rund 75.000 Menschen ermordet wurden. Doch nicht jeder ist überzeugt von seiner Wirkung. Einige betrachten diesen Ort als eine Beleidigung für die Erinnerung an die Opfer und kritisieren, dass es im Verhältnis zu dem kolossalen Elefanten klein und unscheinbar sei. Als “Reichskolonialehrendenkmal” wurde er 1932 eingeweiht, um den Anspruch Deutschlands auf Kolonien zu unterstreichen, obwohl das Land zu dieser Zeit gar keine Kolonien mehr besaß. Der Bildhauer Fritz Behn, ein Nazi, gestaltete das Denkmal, das unter Denkmalschutz gestellt und vor einigen Jahren aufwendig saniert wurde. Recht unscheinbar befindet sich unmittelbar daneben der Steinkreis. Dennoch betonen Aktivist:innen wie Virginie Kamche, dass dieses Mahnmal ein wichtiger Anfang sei, um die Erinnerung an vergangene Gräueltaten wachzuhalten und die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte voranzutreiben. Immerhin ist es das erste, bundesweit einzige Mahnmal seiner Art, das an den Genozid an den Herero und Nama erinnert. 


Tupac in Herfort 

Vor der Gehry-Architektur des Marta-Museums in Herford steht eine überlebensgroße Skulptur von Tupac Shakur. Tupac Shakur wurde als Rapper mit Songs über Rassismus, Gewalt und soziale Missstände zur postmodernen Legende. Das Denkmal, ein Werk des italienischen Künstlers Paolo Chiasera, hat sich als fester Bestandteil der “Museumsskyline” etabliert. Ursprünglich Teil einer Ausstellung über das Heldenbild in der Kunst, bleibt die Präsenz des Rappers für viele Besuchende rätselhaft, für andere ist sie ein faszinierendes Symbol der Hip-Hop-Kultur und globalen Anziehungskraft von Tupac’s Erbe. Mit ihrem Betonsockel, der als offene Leinwand für Graffiti-Künstler:innen dient, ist die Statue nicht nur ein Denkmal, sondern auch eine lebendige Plattform für künstlerischen Ausdruck und soziale Reflexion. 


Denkmal “Freies Afrika” in Halle/Saale 

Das Denkmal “Freies Afrika” in Halle/Saale, erinnert an Anton Wilhelm Amo. Vor 300 Jahren studierte er als erste Schwarze Person an einer europäischen Universität setzte sich sein Leben lang für die Rechte Schwarzer Menschen ein. Anton Wilhelm Amo wird 1703 Ghana geboren und als Kind von holländischen Menschenhändlern entführt. Er landet als “Geschenk” am Hof der Fürsten von Braunschweig, wo seine intellektuellen Fähigkeiten Interesse wecken. Die aufgeklärten Fürsten ermöglichen ihm eine Ausbildung, und 1727 beginnt Amo sein Philosophiestudium an der Universität Halle, wo er schnell als brillanter Kopf bekannt wird. An dem Denkmal in Halle wird jedoch ihre stereotype Darstellung Schwarzer Menschen kritisiert. Die Entstehung der Statue hatte ursprünglich auch gar nichts mit Amo zu tun, sondern war Teil einer Annäherung zwischen Ghana und der DDR. Das Amo-Bündnis in Halle arbeitet daran, den Kontext der Statue zu erklären und plant einen eigenständigen Gedenkort für Amo. In Berlin soll bald eine Straße nach ihm benannt werden. Jacob Mabe betont jedoch, dass Amo nicht nur wegen seiner Herkunft, sondern wegen seiner philosophischen Leistungen in Erinnerung bleiben sollte. 

Mahnmal in Berlin 

Auf dem Oranienplatz in Berlin tauchte in der Nacht des 26. September 2020 unerwartet ein Denkmal für die Opfer von Rassismus und Polizeigewalt auf. Die Initiative #woistunserdenkmal plante bereits ein solches Denkmal. Die Aktivist:innen, die das Denkmal errichteten, blieben jedoch anonym. Die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg beschloss, das Mahnmal auf dem Oranienplatz als „Gedenkzeichen an seinem Ort und als solches anzuerkennen, es weder zu entfernen noch zu versetzen“. Am 25. Januar 2024 ist es dann jedoch plötzlich verwunden. Später stellt sich heraus, dass es vom Straßen- und Grünflächenamt abgebaut wurde, die scheinbar nichts von seiner Genehmigung gewusst haben sollen. Nach wenigen Tagen wurde es daraufhin wieder aufgebaut, jedoch stark beschädigt, da es beim Abbau zerbrochen war. 


Das Genocide Memorial Windhoek

In Windhoek, Namibia, erinnert das Genocide Memorial seit 2014 an den Völkermord an den Herero und Nama. 1904 nach der Schlacht von Ohamakari gab Lothar von Trotha den Vernichtungsbefehl im Namen von Kaiser Wilhelm II. Damit machte er den namibischen Krieg (1904-1907) zum ersten Genozid des 20. Jahrhunderts. Die UN erkannte ihn 1985 als solchen an.  

Das Mahnmal ist Teil des Independence Museums und steht vor der Alten Feste, die zwischen 2010 und 2013 vorübergehend der Standort des Windhoeker Reiterdenkmals war.  

Das Denkmal 

Die auf einem hohen Sandsteinsockel stehende Bronzeskulptur stellt einen Mann und eine Frau dar, die auf einer “Nama-Hütte” stehen. Beide Figuren heben ihre Faust gen Himmel, von ihren Armen hängen zerbrochene Fesseln. Ihre Körper sind schlank, muskulös und aufrecht. Die Gesichter der Figuren blicken entschlossen in die in die Ferne. Das Denkmal suggeriert keinen Ort der Trauer, sondern stellt einen heldenhaften Sieg dar.  

Im Sockel ist vorne und hinten je ein Bronzerelief angebracht. Sie visualisieren die koloniale Gewalt und orientieren sich an Fotografien von Überlebenden und Opfern des Völkermordes. Über dem Relief, das auf die Robert Mugabe Avenue, eine viel befahrene Straße, gerichtet ist, zitiert ein Schriftzug eine Zeile aus der namibischen Nationalhymne: “Ihr Blut tränkt unsere Freiheit”.  

Bei der Einweihung des Museums und der Enthüllung der Statuen führte der damalige Präsident Pohamba in seiner Rede zum Völkermord-Denkmal aus: 

“This Genocide Memorial Statue was conceived and erected as a national symbol in remembrance of all our people who lost their lives and were subjected to untold hardships and suffering at the hands of the heartless and heavy-handed soldiers of the Schutztruppe and the entire German colonial machinery.”  

Genoziddenkmal, Windhoek, Namibia, Afrika *** Genocide Monument, Windhoek, Namibia, Africa Copyright: imageBROKER/ThomasxSbampato ibxtps05807743.jpg Bitte beachten Sie die gesetzlichen Bestimmungen des deutschen Urheberrechtes hinsichtlich der Namensnennung des Fotografen im direkten Umfeld der Veröffentlichung!

Kritik und Kontroverse  

Der Völkermord an den Herero und Nama war lange Zeit nicht in der Geschichtsschreibung der namibischen Nation thematisiert. Das Denkmal vergegenwärtigt diesen Teil der Vergangenheit, stößt aber genauso auf Kontroverse. Ein wichtiger Kritikpunkt ist die Ausführung des Denkmals durch die nordkoreanische Firma Mansudae Overseas Projects, die von der namibischen Regierung in den ersten 2000ern und 2010ern mit einer Vielzahl an Bauprojekten beauftragt wurde. Das Relief und die Statue des Genocide Memorials wurden in Nordkorea gegossen. Diese kostspieligen und auf Zwangsarbeit gründenden Bauten stehen in der Kritik, eine fremde Ästhetik zu importieren, statt regionale Kunstschaffende einzubringen genauso wie die Erinnerungskulturen anderer Länder für eigene politische Belange zu instrumentalisieren. 

QUELLEN  

Stolpersteine:  

https://www.dw.com/de/stolpersteine-schwarze-ns-opfer/a-59107306
https://www.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/aktuelles/pressemitteilungen/2023/pressemitteilung.1365849.php
https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/der-lange-weg-zur-erinnerung-wie-schwarze-menschen-der-verfolgung-durch-die-nazis-ausgesetzt-waren
https://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/8247
https://taz.de/Tahir-Della-ueber-Erinnerungskultur/!5950764/
https://www.museenkoeln.de/ausstellungen/nsd_0211_schwarze/aus_04_05.asp
https://www.bpb.de/themen/migration-integration/afrikanische-diaspora/59423/schwarze-menschen-im-nationalsozialismus/

Denkmäler in Deutschland:  

https://www.deutschlandfunkkultur.de/anton-wilhelm-amo-spuren-eines-schwarzen-aufklaerers-100.html
https://taz.de/Wie-ein-Denkmal-entkolonisiert-wird/!5691656/#:~:text=Es%20ist%20das%20erste,%20bundesweit,trotzdem%20laut%E2%80%9C,%20sagte%20Eickelberg
https://www.ksta.de/kultur-medien/tupac-shakur-hier-steht-das-wohl-einzige-denkmal-fuer-einen-schwarzen-in-deutschland-207417
https://taz.de/Entferntes-Mahnmal-in-Berlin/!5988198/
https://vorwaerts.de/meinung/black-history-month-aus-dem-erinnern-das-verhalten-als-gesellschaft-verandern
https://taz.de/Denkmal-fuer-Opfer-von-Rassismus/!5717616/
https://www.instagram.com/wo_ist_unser_denkmal/?hl=de
https://www.rf-news.de/2021/kw39/denkmal-fuer-die-opfer-von-rassismus-und-polizeigewalt-ist-legalisiert

Genocide Memorial Windhoek 

Nick Hall: Empty lots and baboon feces: North Korea’s monuments in Namibia — in photos. NK News, 09.12.2022, https://www.nknews.org/gallery/empty-lots-and-baboon-feces-north-koreas-monuments-in-namibia-in-photos/  

Heike Becker: Changing urbanscapes: Colonial and postcolonial monuments in Windhoek. In: Nordic Journal of African Studies 27.1 (2018), S. 1-21, https://www.academia.edu/73156181/Changing_urbanscapes_Colonial_and_postcolonial_monuments_in_Windhoek