Wilhelm II. – Hoppe, hoppe Reiter
von Jérôme J. Lenzen
Reiterstandbilder gibt es in Köln wahrlich nicht wenige. Die sogenannte Preußenzeit (1815-1918) hat in kaum einer Stadt so tiefe und bis heute sichtbare Spuren hinterlassen: Vom Bismarckturm in Marienburg, über den Hohenzollernring, bis hin zum Reiterstandbild Friedrich Wilhelms III. auf dem Heumarkt. Über das Für und Wider dieser Relikte ließe sich vortrefflich streiten. Doch so richtig scheint sich in Köln niemand darüber aufzuregen. Womöglich weil die Stadt ohnehin alle Hände voll zu tun hat – mit ihren sanierungsbedürftigen Kulturbauten, Denkmälern und Stadtmauern?
DER KONTEXT
Dabei sollte den Kölner:innen nur schmerzlich bewusst sein, dass ihre Stadt längst nicht mehr zur ersten Reihe internationaler Kulturmetropolen gezählt werden kann. Obwohl vor allem in ihrer wechselvollen Geschichte das größte kulturelle Pfund steckt, mit dem gewuchert werden könnte. So richtig sichtbar ist ein Großteil der Kölner Geschichte jedoch nicht. Stattdessen prägen die Pickelhauben trotz einer nur kurzen Regentschaft am Rhein das Stadtbild überproportional. Das mag mit der Dankbarkeit für die Vollendung der Domarbeiten im Jahr 1880 zusammenhängen. Aber abgesehen von diesem beinahe missionarischen Prestigeprojekt würde ein kritischerer Umgang mit der Preußenzeit Köln gut zu Gesichte stehen.
DAS DENKMAL
Ein besonders problematisches Beispiel für die erschreckend unkritische Perspektive auf einen Teil der eigenen Vergangenheit stellt das Reiterstandbild Wilhelms II. (Deutscher Kaiser und König Preußens von 1888-1918) an der Hohenzollernbrücke dar; aufgestellt 1910/1911. An der Südseite der Brücke gegen Westen gelegen, befindet sich das Denkmal „das sich der Kaiser selbst gesetzt hat“ (Benner 2004). Dafür musste seinerzeit sogar der ‚Dombauer‘ Friedrich Wilhelm IV. (König Preußen 1840-1861 und Initiator des Daumbaufestes 1842) ins Rechtsrheinische weichen. Kaum ein Denkmal verkörpert exemplarischer die Willkür der Kölner Stadtgestaltung.
DIE KRITIK
Die Liste der Gründe, die gegen eine Würdigung Kaiser Wilhelms II. in Denkmalform und an prominenter Stelle sprechen, ist lang. Einerseits geschah der Völkermord an den Herero und Nama zur Amtszeit Wilhelms II., die der Kaiser selbst öffentlichkeitswirksam unter das Motto ‚Ein Platz an der Sonne‘ gestellt hatte. Und auch der Erste Weltkrieg fällt in die Regentschaft des außenpolitisch fahrlässigen Herrschers, dessen Großmacht-Wahn Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Aber auch nach dieser verheerenden Kaiserzeit reißen die Gründe, die gegen ein öffentliches Denkmal sprechen, nicht ab. Nicht erst durch die Forschung Malinowskis, nun aber in aller Deutlichkeit, wird auch die antisemitische Gesinnung des ehemaligen Kaisers deutlich. In seiner unfreiwilligen niederländischen Exilzeit nach Ende des Ersten Weltkriegs habe er sogar einen auf „physische Vernichtung abzielenden Antisemitismus […] entwickelt.“ (Röhl). Besonders bitter: Das Denkmal steht in der Sichtachse des öffentlichen Kunstwerks Ma’alot, das der israelische Künstler Dani Karavan auf dem Heinrich Böll Platz errichtet hat. Das Kunstwerk verhandelt die Deportation der jüdischen Bevölkerung aus Köln.
DAS REFRAMING
Und trotz all dieser Gründe steht in Köln ein Reiterstandbild zu Ehren des Herrschers zwischen dem Dom und einer Brücke, die zudem noch nach dem Familiengeschlecht desgleichen benannt ist. Auf dem Portal Kulturlandschaft Digital des Landschaftsverbandes Rheinland (Kuladig) findet sich lediglich der Hinweis darauf, dass die Stadt Köln „als Reaktion auf eine antirassistische Farbattacke auf das Denkmal, über eine aufklärende Infotafel an dem Standbild diskutiert“. Soll eine aufklärende Infotafel tatsächlich das Statement der selbsternannten Kulturstadt Köln sein, um über Rassismus und Antisemitismus aufzuklären? Darf ein solches Denkmal weiterhin das erste sein, was Besucher:innen der Stadt aus dem Zugfenster sehen, wenn sie den Rhein überqueren?
Unser Vorschlag ist ein anderer. Wir sagen: Holt den Reiter vom Sattel. Kein Denkmal könnte besser zum Ausdruck bringen, dass die Verbrechen des Wilhelminismus verurteilt werden als ein Pferd ohne Reiter. Ein Kaiser, dem es so wichtig war, öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzt zu werden, sollte auch öffentlichkeitswirksam aus der Szenerie entfernt werden. Deswegen fordern wir per Petition die Entfernung Kaiser Wilhelms II. von der Hohenzollernbrücke. Das Denkmal selbst soll durch eine bildhauerisch kompetente Person bearbeitet werden, sodass Ross und Reiter fortan voneinander getrennt sind. Anschließend kann das Pferd erneut seinen Platz an der Brücke einnehmen, während der Reiter als Symbol für die Überwindung der Hohenzollern-Herrschaft in die Sammlung des Kölnischen Stadtmuseums überführt werden soll.
Hoppe, hoppe Reiter
Wenn er fällt, dann schreit er
[…]
Fällt er in den Sumpf
Macht der Reiter plumps
QUELLEN
Benner, Iris, Denkmäler der Preußenzeit. Ein Stadtrundgang in Köln (Rheinische Kunststätten, Heft 480), Köln 2004, S. 5-7, S. 9-11.
„Denkmal für den preußischen König Friedrich Wilhelm III.”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-275642 (Abgerufen: 22. März 2022)
„Reiterstandbilder an der Hohenzollernbrücke”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-102292-20140904-4 (Abgerufen: 22. März 2022)
Malinowski, Stephan, Die Hohenzollern und die Nazis: Geschichte einer Kollaboration, Berlin 2021.