Gebäude Kolonialismus

M*Apotheke, Bayreuth

von Katharina Kempf

In Deutschland tragen rund 100 Apotheken (Stand 2020) das M-Wort im Namen. Dass das Wort einen rassistischen Hintergrund hat, scheint vielen nicht bewusst zu sein. 2020 wurde eine deutschlandweite Debatte über diese Bezeichnung losgestoßen. Ein Beispiel aus Bayreuth.

DAS GEBÄUDE

Schlendert man durch die Maximilianstraße, einer prominenten Fußgängerzone in Bayreuth, begegnet man neben Gasthäusern, Drogeriemärkten und Bekleidungsgeschäften der 1610 erbauten „M*hrenapotheke“. Auf der Homepage der Apotheke heißt es: „Wir bilden uns laufend fort, um immer auf dem neuesten Stand zu sein. […] Wir nehmen uns alle Zeit, die wir brauchen, um Ihnen so gut wie möglich zur Seite zu stehen. […] Wir möchten, dass es Ihnen gut geht.“ Doch was ist mit dem Wohlbefinden der Menschen, die durch den Namen und die Symbole diskriminiert werden? Denn es ist nicht nur der Name, der rassistische Stereotype reproduziert, es sind auch die Bronzeembleme an der Fensterfront des Gebäudes, die verzerrte Köpfe mit goldenen Ringen und dicken roten Lippen zeigen.

DAS OHRENPROJEKT

Diese Frage stellte sich auch eine Gruppe Studierender im Jahr 2020 im Zuge der Black Lives Matter Bewegung. Unter dem Namen „Ohrenprojekt“ wandten sie sich in einem Brief an den Apothekeninhaber. Sie forderten „die Umbenennung und Umgestaltung der M.-Apotheke“. Denn „auch wenn das Wort M. schon vor der Kolonialzeit verwendet wurde, war es immer eine Fremdbezeichnung für Schwarze Menschen und demnach niemals ein neutraler Begriff. Seit dem 17. Jahrhundert steht die Bezeichnung M. außerdem in direktem Bezug zu Kolonialismus und Versklavungshandel genauso wie die heute verbreiteten Darstellungen als exotisch anmutende Dienerfiguren (man denke an den Sarroti M.) oder edle Wilde. Der Kolonialbezug des Begriffs M. und seiner bildlichen Darstellung ist also unbestreitbar“.

WORT-HERKUNFT

Viele Apothekeninhaber:innen empfinden den Begriff als “Ehrung”. Petra Grünwald z.B. ist Inhaberin einer M*Apotheke in Wolfsburg und erklärt, dass der Name auf die Tradition der Pharmazie zurückgehe, die die Menschen aus Tunesien, Algerien, Marokko und der Westsahara nach Europa „gebracht“ hätten. Es sei also eine „Würdigung“.

Etymologisch geht das Wort auf das griechische „moros“ zurück, was „töricht“/ „dumm“ bedeutet und auf das lateinische „maurus“, was „schwarz“/“dunkel“ bedeutet. Daraus entstand das deutsche „mor“, was später durch ein „h“ ergänzt wurde. Das Wort ist eine rassistische Bezeichnung und wird im Duden als „heute diskriminierend“ angegeben.

Die Kulturwissenschaftlerin Dr. Susan Arndt jedoch betont, dass „[der Begriff] von Anfang an abwertend gebraucht wurde, und zwar aus einer weißen christlichen Perspektive und diskriminierenden Intention heraus.“ Tahir Della von der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland erklärt außerdem, dass es „von der Mehrzahl der Schwarzen Menschen als diskriminierend wahrgenommen wird“.

REAKTION DER APOTHEKE

Der Apotheker fühlte sich von der Kritik der Studierenden als Rassist abgestempelt. Es sei ihm „scheißegal“ und „vollkommen piepe“, welche „Hautfarbe“ ein Mensch habe. Die Bezeichnung empfinde er außerdem als „Ehrung“. Er könne nichts für den Namen seiner Apotheke und auf die Forderung der Studierenden hin, vergleicht er sich mit denjenigen, die von dem Namen diskriminiert werden, denn „genauso wie ein Schwarzer nicht beeinflussen kann, dass er Schwarz ist, ob er will oder nicht“ könne er den Namen seiner Apotheke nicht beeinflussen. Allerdings hat der Inhaber durchaus Einfluss auf den Namen seiner Apotheke. Darüber hinaus wird er deswegen nicht strukturell diskriminiert. Seine Aussage, dass es ihm „scheißegal“ sei, welchen Hintergrund eine Person habe, verharmlost wiederum strukturellen Rassismus und spricht den Menschen, die durch seine Apotheke diskriminiert werden, das Problem ab.

Die Änderung des Namens hält er für nicht sinnvoll, da so eine kritische Auseinandersetzung mit Rassismus erst recht im Keim erstickt würde. Erkennt er das Problem also doch als solches an, will aber einfach nur nichts daran ändern? Und wird nicht vielmehr durch eine Umbenennung eine Debatte in der breiten Öffentlichkeit angestoßen? Die Apotheke steht dort seit dem 17. Jahrhundert, wieso sollte jetzt, einfach so aus dem Nichts eine Auseinandersetzung stattfinden? Der Apotheker sieht die Lösung darin, die Apotheke einzuordnen und Informationen bereitzustellen, falls sich jemand an dem Namen und den Symbolen störe. Zu den Forderungen des Ohrenprojekts sagt er, dass er es nicht einsehe, sich Vorwürfe und ein „plumpes ‚Benenn Dich um!‘“ gefallen lassen müsse. Er hätte das Recht darauf dann auch mit einem plumpen „Nein“ zu reagieren, denn „das ist ein freies Land, ich muss halt nicht derselben Meinung sein.“

Die Frage ist, inwieweit bei Rassismus von „Meinung“ gesprochen werden kann?

ZWEI FRONTEN

Die Studierenden setzen sich auf einer wissenschaftlichen Grundlage gegen Rassismus im Stadtbild ein. Sie ordnen ein, dass der Name nicht als Ehrung, sondern als Exotisierung zu verstehen sei. Die Figur des M* stehe stellvertretend für fremde, exotische Wunderheilmittel und die stereotypen Darstellungen an den Fenstern würden in keiner Weise Bezug auf jegliche Form der Heilkunst Bezug nehmen. Es sei absurd, kolonial-rassistische Darstellungen zu verwenden und diese anschließend als Ehrung Schwarzer Menschen zu interpretieren. Pauls Reaktion auf ihr Anliegen wundert die Gruppe nicht: „Dass nun Weiße Menschen darüber diskutieren und meinen, entscheiden zu können, was rassistisch sei und was nicht, ist eine typische Abwehrreaktion gegen die Thematisierung von Rassismus und somit selbst Ausdruck eines rassistischen Machtverhältnisses innerhalb der deutschen Gesellschaft.“ 

Einen Dialog zwischen der Gruppe und dem Apotheker hat es nie gegeben. Die Fronten sind verhärtet und das Gebäude bis heute unverändert.

Welche Möglichkeiten gibt es, eine gemeinsame Lösung zu finden?

Wo würdet ihr ansetzen?

Was denkt ihr, sollte mit dem Namen und den Symbolen passieren?

QUELLEN

Deutsche Apotheker Zeitung: Zwischen Tradition und Rassismus. 2020. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2020/08/14/zwischen-tradition-und-rassismus

Schäfer, Helena: Diskurs (un)möglich? 2020, in: FALTER Zeitung für Campuskultur. http://www.falterbt.de/2020/07/27/diskurs-unmoeglich/

Redaktionsnetzwerk Deutschland: Der „M*“ – ein Zeichen der Würdigung oder des Rassismus? 2020. https://www.rnd.de/politik/bedeutung-von-mohr-ein-zeichen-der-wurdigung-oder-des-rassismus-4OO3RQYADG2YMHS24RK3ROYVOE.html?outputType=amp

Scheck, Nico: “Hof-Apotheke zum Mohren“: Warum der Begriff „Mohr“ genauso rassistisch wie das N-Wort ist. 2020.  https://www.fr.de/panorama/rassismus-streit-hof-apotheke-zum-mohren-friedberg-apotheke-blockt-rassistisch-wie-das-wort-90017664.html