Denkmal Nachkriegszeit Nationalsozialismus

Remscheider Löwe

von Katha Kempf & Jérôme J. Lenzen

Der Löwe auf dem Remscheider Rathausplatz ist das Wahrzeichen der im Bergischen Land gelegenen Stadt und wird auch aktiv als solches vermarktet. Die Stadt hat sich den Löwen zum Aushängeschild gemacht. In hiesigen Souvenirshops kann er als Miniaturversion aus buntem Plastik oder Kühlschrankmagnet erstanden werden, seine Silhouette wird auf grünen S-Bahn-Wagons der DB durch NRW kutschiert. Der Löwe ist schließlich auch seit 1225 das Wappentier von Remscheid, so ordnet ihn jedenfalls eine Tafel an dem Denkmal ein. Dass die Skulptur ursprünglich zu Ehren Adolf Hitlers errichtet wurde, scheint vielen nicht bewusst zu sein.

DAS DENKMAL

Der Löwe aus grauem Muschelkalk überblickt auf einem Betonsockel in schwindelerregender Höhe von 13,5 Metern das Remscheider Stadtbild. Das Tier selbst ist weitere dreieinhalb Meter hoch und scheint mit seiner Massigkeit den Theodor-Heuss-Platz am Rathaus zu beherrschen. Mit seiner blockhaften, reliefartigen Gestaltung und dunklen, statischen Erscheinung, reiht sich das Denkmal in die Manier der klassizistischen, monumentalen Nazi-Ästhetik ein, die häufig bei Skulpturen aus jener Zeit zu finden ist (siehe Arno Brekers Aurora).

Aber was hat das Wahrzeichen Remscheids mit Nazis zu tun?

Katha Kempf

DIE ENTSTEHUNG

Der nationalsozialistische Stadtrat von Remscheid beauftragte den Bildhauer Willy Meller (1887-1974) mit der Gestaltung eines imposanten Löwendenkmals. Der gebürtige Kölner zählte, neben Arno Breker und Josef Thorak, zu Adolf Hitlers persönlichen Lieblingskünstlern. 

Am 1. Mai 1939 wurde der wuchtige „König der Tiere“ mit etwas zu lang geratenem Hals in einer überinszenierten Machtdemonstration eingeweiht. Neben einem Fanfarenzug der Hitlerjugend spielte die Kapelle der „Bergischen Stahlindustrie“ voller Inbrunst „Volk ans Gewehr“, während 27.000 Remscheider:innen auf dem Platz dem Führerkult erlegen waren. Der Löwe als „Sinnbild der Kraft und Wachsamkeit“ war an diesem Tag „dem Schöpfer des Großdeutschen Reiches in Dankbarkeit“ gewidmet, so versicherte es die Inschrift, die ursprünglich an dem Sockel angebracht war.

RGA Archiv

NACH 1945

Der Bergische Löwe ist das ehemalige Wappentier des Herzogtums Berg und bis heute in vielen Wappen von Gemeinden und Städten der Region in NRW vertreten. Der Bergische Löwe hat, im Gegensatz zum Remscheider Löwen, immer eine aufgebäumte Haltung mit spielerisch erhobenen Vorderpfoten und tänzelndem Doppelschwanz. In vielen Versionen trägt er zudem eine blaue Krone. Der Bergische Löwe, das Wappentier von Remscheid, hat also weder äußerlich noch historisch etwas mit dem Löwendenkmal zu tun.

Wikimedia Commons

DIE SANIERUNG

Als 2019 eine Sanierung für rund 90.000 Euro anstand, brachte die Fraktion der Linken im Remscheider Stadtrat den Vorschlag ein, dass bei der Gelegenheit auch gleich eine kontextualisierende Tafel an dem Denkmal angebracht werden könne und bekam Zuspruch vom Kulturausschuss.

Die Stimmung im Land hat sich geändert. Ich hoffe, dass wir alle sensibler werden und erkennen, dass es zwingend ist, darauf hinzuweisen, wie Menschen damals verführt wurden.“

(Karl Heinz Humpert, Kulturausschussvorsitzender)

Stand heute ist das Denkmal jedoch noch unverändert. Für 2022 wurden die erforderlichen finanziellen Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt, sodass Sanierung und ein Reframing light erfolgen kann. Hierzu teilte die Stadtverwaltung auf einer Anfrage der Fraktion von Bündnis‘90/Die Grünen im Jahr 2021 mit, dass die geplante Tafel auch mit einem QR-Code versehen werden kann.

DER SCHATTEN DES LÖWEN

Eine Tafel, die den historischen Zusammenhang des Denkmals erläutert, kann nur eine erste Maßnahme sein. Allein die äußeren Dimensionen des Remscheider Löwen, noch mehr die in alle Bereiche des Remscheider Stadtlebens hinreichenden Duplikate, die wie ein riesiger Löwen-Schatten die Aufarbeitung der Vergangenheit verdecken, machen ein radikaleres Reframing notwendig. Ein QR-Code kommt nicht dagegen an, wenn wenige Meter vom Denkmal entfernt der Penny-Markt in der Fußgängerzone mit einem regenbogenfarbenen Löwen und dem Slogan ‚Vielfalt ist unser Ding‘ wirbt. Deswegen ein anderer Vorschlag.

Katha Kempf

DAS REFRAMING

Im Remscheider Stadtteil Lennep sind mit dem Röntgen Museum und dem Geburtshaus von Conrad Wilhelm Röntgen zwei interessante Kultureinrichtungen präsent, die an den Entdecker der später nach ihm benannten Röntgen-Strahlen erinnern. Diese elektromagnetischen Wellen machen es möglich, den menschlichen Körper zu durchleuchten. Ein Durchbruch für die Medizin! Unser Reframing bezieht den historischen Geburtsort Röntgens mit ein, indem wir vorschlagen, ein riesiges Röntgenbild des Löwen prominent vor dem Denkmal aufstellen zu lassen. Als Symbol für die Durchleuchtung der Vergangenheit des Denkmals. Denn um Geschichte sichtbar zu machen, benötigen wir noch nicht einmal elektromagnetische Strahlen. Wir benötigen nur Mut!

Katha Kempf

DENK MAL ANDERS

Eine kreative Form der Umnutzung erfährt das Denkmal aktuell. Bis zur Sanierung können Kinder und Jugendliche die Platzfläche zur sportlichen Betätigung nutzen. Praktischerweise wurde am Löwen-Denkmal sogar ein Basketball-Korb angebracht.

Katha Kempf

QUELLEN

Aktueller Sachstand der Sanierung des Löwen-Denkmals vor dem Remscheider Rathaus

Anfrage der CDU-Fraktion vom 31.05.2022.

Beantwortung einer Anfrage der Fraktion von Bündnis’90/DIE GRÜNEN zum Sachstand

der Sanierung des “Löwendenkmals” (Drs. 16/0866) vom 27.05.2021.

Kätker, Anna-Katharina (Deutsches Röntgen-Museum): Wilhelm Conrad Röntgen – der Mann hinter der Entdeckung der „X-Strahlen“, url: https://www.roentgen-geburtshaus.de/de-DE/7142/wilhelm-conrad-roentgen. Letzter Zugriff am 23.06.2022.

Richter, Alex: Unrühmliche Geschichte eines Wappentiers. Auch der Löwe auf dem Rathausplatz soll untersucht werden. 2019. In: Remscheider General-Anzeiger. https://www.rga.de/lokales/remscheid/kreishaus-soll-auch-loewe-untersucht-werden-13131429.html. Letzter Zugriff am 14.06.2022.

Schmoeckel, Gisela: Der missbrauchte bergische Löwe. 2014. In: RP ONLINE. https://rp-online.de/nrw/staedte/remscheid/der-missbrauchte-bergische-loewe_aid-20230029. Letzter Zugriff am 14.06.2022.

Schmoeckel, Gisela: Eingeweiht: 1939. Das Löwendenkmal vor dem Remscheider Rathaus. In: bergische blätter. Das Magazin für die Region. https://www.bergischeblaetter.de/remscheid-loewendenkmal/. Letzter Zugriff am 14.06.2022.

Katha Kempf