Denkmal Nationalsozialismus

Arno Brekers Aurora

von Sebastian Pallach

Die monumentale überlebensgroße Skulptur des umstrittenen Bildhauers Arno Breker befindet sich auf dem Dach des Kunstpalastes am Düsseldorfer Ehrenhof.

DAS OBJEKT

Es handelt sich um eine Darstellung der Aurora, der römischen Göttin der Morgenröte. Sie ist in einer langgstreckten liegenden Position zu sehen. Während ihr Oberkörper halb aufgerichtet ist, fasst sie sich mit der linken Hand an die Schläfe. Aus dem Schlaf erwachend verkörpert sie die Rolle der Tagebringerin.

DIE ENTSTEHUNG

Die Skulptur aus Muschelkalkstein wurde 1926 über dem nördlichen Durchgang des Kunstpalastes aufgestellt, wo sie sich nach über 90 Jahren bis heute befindet. Der Auftraggeber Wilhelm Kreis, zur damaligen Zeit Direktor der Kunstgewerbeschule in Düsseldorf, war ab 1925 als Architekt für das gesamte Ehrenhof-Ensemble, bestehend aus den heutigen Ausstellungseinrichtungen Kunstpalast und NRW-Forum sowie der Tonhalle (damals Rheinhalle), tätig. Die Anlage einschließlich einer Reihe von Skulpturen – darunter auch Brekers Aurora – ist zu Zwecken der GeSoLei-Ausstellung (Große Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen) errichtet worden.

Die Aurora auf dem Kunstpalast

DER KÜNSTLER

Da sich vor Ort keine Informationstafel über die Skulptur befindet, wissen vermutlich die wenigsten Passant:innen, dass es sich um ein Werk des bis heute umstrittenen Bildhauers Arno Breker (1900-1991) handelt. Aufgrund seiner Nähe zum NS-Regime und insbesondere zu Hitler, der ihn übermäßig mit Honoraren, Schenkungen und mit der Errichtung von eigenen Ateliers förderte, steht Brekers Name sowie sein Werk seither in enger Verbindung mit der monumental-heroischen Ästhetik der NS-Ideologie Hitlers. Er gehörte zu den erfolgreichsten, meistbeschäftigsten und bestverdienenden Bildhauer:innen in der Zeit des Nationalsozialismus.

Zur Entstehungszeit der Aurora war Breker noch Schüler an der Kunstgewerbeschule in Düsseldorf und stand in keiner Verbindung zur NSDAP. Der junge Bildhauer war schon kurz danach, Ende der 1920er Jahre, international ein anerkannter und gefragter Künstler und arbeitete vielfach mit jüdischen Künstler:innen und Galerien zusammen, insbesondere mit dem Düsseldorfer Kunsthändler Alfred Flechtheim, dem Breker maßgeblich seinen frühen Erfolg zu verdanken hatte. Erst ab 1934 begann er seine Karriere als Staatsbildhauer des NS-Regimes. Er fertigte Skulpturen für das Reichssportfeld an und wurde in den folgenden Jahren mit zahlreichen Großprojekten in der Reichshauptstadt Berlin betraut. Im Jahre 1937 erhielt er den Professorentitel von Hitler selbst und trat im selben Jahr in die NSDAP ein. Drei Jahre später wurde ihm das goldene Parteiabzeichen verliehen.

Arno Breker (links) und Albert Speer (rechts)

Nach Ende des zweiten Weltkriegs wurde er im Entnazifizierungsverfahren als “Mitläufer” eingestuft. Aufgrund seiner wichtigen Rolle im NS-Staat war er immer wieder schweren Vorwürfen ausgesetzt, weswegen sein Werk in öffentlichen Ausstellunsgeinrichtungen und Sammlungen nur vereinzelt zu sehen war und selten thematisiert wurde. Bis heute hat sich daran wenig verändert. Trotz allem war Breker bis zu seinem Tod künstlerisch erfolgreich, da er weiterhin Aufträge von Privatpersonen oder Wirtschaftsunternehmen erhielt. Darunter befanden sich u.a. Bundeskanzler Ludwig Erhard, der Kölner Kunstmäzen Peter Ludwig und der Bankier Hermann Josef Abs.

Arno Breker (rechts vorne) mit Adolf Hitler und Gefolge in Paris (1940)

DAS REFRAMING

Im Sommer des Jahres 2002 unternahm die Künstlerin Katinka Bock einen Versuch, die Skulptur Brekers zu reframen. Bei einer Kunstaktion befplanzte sie die Aurora mit Schlingknöterich, der sich natürlich um die Figur zu ranken schien. Diese Aktion fand im Rahmen der Ausstellung hell-gruen statt, welche in Kooperation mit der Stadt Düsseldorf und mehreren Düsseldorfer Kultureinrichtungen veranstaltet wurde. Die Ausstellung umfasste insgesamt 30 Kunstprojekte im Düsseldorfer Hofgarten und der umliegenden Umgebung, die Kunst und Natur miteinander verbinden sollten. Besonders die Themen Licht und Pflanzen spielten eine zentrale Rolle in den künstlerischen Arbeiten.

Die Objektkünstlerin Katinka Bock wurde im Vorfeld ihrer Installation auf die Figur der Aurora aufmerksam, da ihr niemand beantworten konnte, von wem diese Skulptur angefertigt worden war. Auch in den Informationsheften zum Ehrenhof, wo andere dort befindliche Skulpturen aufgelistet wurden, war die Aurora nicht aufgeführt. Dies gab ihr den Anstoß, diese auffällige Auslassung des Künstlers zu thematisieren und einen Diskurs anzuregen. Neben der Bepflanzung mit Schlingknöterich stellte sie eine Informationstafel zu ihrer Installation im Ehrenhof auf:

”Die Wahrheit ist also die beste Tarnung und Gewohnheit macht blind. Warum aber diese Vorsicht, diese Angst, Stellung zu Breker beziehen zu müssen. Ist er verdammt oder verehrt – im Geheimen. Und wie steht es mit der Freiheit und der Unschuld der Kunst? Mit meinem Entwurf “Brekers Göttin der Morgenröte heute in Grün” möchte ich zur Konservierung und Bewahrung der Aurora beitragen. In der Verhüllung steckt ein retrogrades Moment: Sichtbarmachung durch Unsichtbarmachen. Schleichende Rückbildung die zur neuen Qualitätsprüfung zwingt.”

Katinka Bock

In der Installation sah sie eine Chance, die Skulptur durch eine pflanzliche Verhüllung in paradoxer Weise wieder sichtbar zu machen und eine Neubetrachtung des Werks und dessen Künstlers Arno Breker anzustoßen. Außerdem sollten die immer weiter wachsenden Pflanzenarme die Skulptur zukünftig in größerem Ausmaß überwuchern, bis die Figur sich schließlich wie ein “grünes Gespenst” auf dem Dach des Kunstpalastes ausbreiten würde.

Skulptur mit Schlingknöterich-Installation von Katinka Bock (2002)
Bildquelle: https://www.meaus.com/aurora-lohausen.htm (Letzter Zugriff am 08.02.2022)

Jedoch kam es nie zu dem beabsichtigten Prozess des Überwucherns, da der Schlingknöterich im selben Jahr wieder entfernt wurde. Das damalige Reframing wurde von Teilen der Düsseldorfer Bevölkerung scharf kritisiert. Der Präsident der Heinrich-Heine-Denkmal-Gesellschaft, Dr. Hermann Lohausen, sprach von einer “Missachtung des Rechts am Kunstwerk eines verstorbenen Künstlers” und forderte dazu auf, die Skulptur Arno Brekers “vor verächtlicher Behandlung und böswilliger Sachbeschädigung zu schützen“.

Im Dezember 2014 wurde die Aurora aufgrund von Sanierungsarbeiten am Dach des Kunstpalastes demontiert, im Anschluss restauriert und im darauffolgenden Jahr wieder an derselben Stelle auf dem Dach platziert. Womöglich wäre dies eine Chance gewesen, erneut eine Diskussion über den weiteren Verbleib der Skulptur anzustoßen. Breker selbst forderte zu seinen Lebzeiten einen kritischen Umgang mit seinem Werk:

“Was ich erwarte, und dem stelle ich mich, ist die offene, ehrliche und harte, kritische, aber faire Auseinandersetzung mit meinem Werk.”

(Auszug aus einer öffentlichen Mitteilung Brekers von 1981) [Lohausen 2011, S. 9]

QUELLEN

Brauneis, Wolfgang; Gross, Raphael: Die Liste der “Gottbegnadeten”. Künstler des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik, München 2021.

Hell-gruen. 30 Kunstprojekte im und um den Düsseldorfer Hofgarten, hg. von Pia Witzmann und Ulla Lux (Düsseldorf, Kulturamt der Landeshauptstadt Düsseldorf, 11. Mai bis 6. Oktober 2002), Düsseldorf 2002.

Meister, Helga. (19.08.2015). Aurora ruht nun auf einem neuen Dach. Westdeutsche Zeitung [https://www.wz.de/nrw/duesseldorf/aurora-ruht-nun-auf-einem-neuen-dach_aid-29106665] Letzter Zugriff am 06.02.2022.

Probst, Volker: Der Bildhauer Arno Breker. Eine Untersuchung, Bonn 1978.

PROMETHEUS. Internet Bulletin for Art, Politics and Science: Arno Breker Skulptur in Düsseldorf verunstaltet, 84/2002 [https://www.meaus.com/aurora-lohausen.htm] Letzter Zugriff am 06.02.2022.

Trimborn, Jürgen: Arno Breker. Der Künstler und die Macht, Berlin 2011.

Woitschützke, Claus: Arno Breker. Schönheitsprophet und Polit-Profiteur, in: rheinische ART.kulturMagazin online, 02/2017 [http://www.rheinische-art.de/cms/topics/arno-breker-bildhauer-schoenheitsapostell-und-politprofiteur.php] Letzter Zugriff am 06.02.2022.