Kolonialismus Straßenname

7 Straßennamen in Düsseldorf

von Katha Kempf

Straßennamen sind, wie Denkmäler oder Gebäude, Orte der Erinnerung. Sie geben nicht nur Orientierung in der Stadt, sondern auch in der Geschichte. Sie verewigen, ehren und würdigen Ereignisse, Orte und bedeutsame Personen und ihre Verdienste. Und das nicht nur aktuell, sondern für die Zukunft und nachfolgende Generationen.

WER IST ES WERT, IN DIE GESCHICHTE EINZUGEHEN?

Am 08.März 2018 beauftragte der Kulturausschuss Düsseldorf einen wissenschaftlichen Beirat, um alle Straßennamen auf koloniale, militärische, nationalsozialistische und antisemitische Hintergründe zu überprüfen, deren Namensgeber nach 1870 verstorben sind. Ziel war es, diejenigen Straßen zu identifizieren, deren Namen nicht mit den Grundsätzen einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft vereinbar sind. (Mehr zu dem Verfahren siehe Quellen). Von 99 untersuchten Namen fielen 12 in die Kategorie A: schwer belastet/ nicht haltbar. Davon sechs mit kolonialem Hintergrund:

Wissmannstraße (Unterbilk), Herrmann von Wissmann (1853-1905)

1888 wurde er zum Reichskommissar der Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ ernannt und mit der Niederschlagung des Aufstandes der einheimischen Bevölkerung betraut. Gefangenenexekutionen, Frauenraub, Plünderungen und Brandschatzungen waren an der Tagesordnung.

Petersstraße (Urdenbach), Dr. Carl Peters (1856-1918)

„Begründer“ von Deutsch-Ostafrika (heute Teile von Tansania, Burundi und Ruanda). Seine schwer bewaffnete Expedition durch Ostafrika war von Gewalt und Betrug geprägt. Seine Schwarzen Hausangestellten, die er zu sexuellen Diensten zwang, ließ er hinrichten. Die Nationalsozialisten ehrten ihn später als Deutschlands größten „Kolonialhelden“.

Lüderitzstraße (Urdenbach), Franz Aldolf Eduard von Lüderitz, (1834-1886)

„Begründer“ der Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“, markiert Deutschlands Einstieg in die offizielle Kolonialpolitik. Mit betrügerischen Methoden gelangte er an Land, die später als „Musterbeispiele eines rücksichtslosen, menschenverachtenden Vordringens“ in die Geschichte eingingen. (W. Speitkamp, Deutsche Kolonialgeschichte, 2005, S. 27.)

Leutweinstraße (Urdenbach), Theodor Leutwein (1849-1921)

1893 ging er als Major in die Kolonie Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) und führte diverse Feldzüge gegen die einheimische Bevölkerung (etwa die Witbooi) durch. 1898 wurde Leutwein zum Gouverneur der Kolonie befördert.

Schlieffenstraße (Morsenbroich), Alfred Graf von Schlieffen, (1833-1913)

Die Kriegsführung gegen die Herero und Nama zielte auf die vollständige Vernichtung ab. Lothar von Trotha, der den Genozid befehligte, wurde darin vom Chef des Generalstabs Alfred Graf von Schlieffen („Der entbrannte Rassenkampf ist nur durch Vernichtung […] der einen Partei abzuschliessen“) und Kaiser Wilhelm II. unterstützt.

Woermannstraße (Urdenbach), Adolph Woermann (1847-1910)

W. stand zeitweise der Deutschen Kolonialgesellschaft vor und wurde 1890 Mitglied im Kolonialrat des Auswärtigen Amtes. Er baute eine Eisenbahnlinie mitten durch das Land der Herero, forderte von der Regierung die Bewohner:innen zu „unterjochen“. Als sich die Herero und Nama 1904-1907 zur Wehr setzten, wurden mit der Woermann-Linie deutsche Soldaten nach Westafrika gefahren. Anschließend setzte W. hunderte Herero in Konzentrationslagern als Zwangsarbeiter:innen ein.

Die anderen sechs Straßen mit antisemitischem/ militärischem/ nationalsozialistischen Hintergrund lauten: Pfitznerstraße, Porschestraße, Münchhausenweg, Wilhelm-Schmidtbonn-Straße, Heinz-Ingenstau-Straße, Hans-Christoph-Seebohm-Straße.

SODENSTRAßE

Die Sodenstraße wurde aus unerklärlichen Gründen nicht in diese Kategorie, sondern als „unbedenklich“ eingestuft. Sodenstraße (Urdenbach) Julius von Soden (1846-1921). S. war Gouverneur und damit höchster Beamter von zwei Kolonien in Kamerun und „Deutsch-Ostafrika“. S. stand an der Spitze des dortigen Kolonialsystems. Während Sodens Amtszeit in Kamerun wurden kriegerische Expeditionen durchgeführt, die Hunderte von Menschenleben kosteten.

Die Initiative Düsseldorf postkolonial kritisiert diese scheinbar willkürliche Kategorisierung: Die Kolonialpolitik mit all ihren Ausprägungen habe auf Gewalt und Ungleichbehandlung basiert. Bis heute wirke koloniales Denken in Form von Rassismus und ungleichen Wirtschaftsstrukturen fort. Der Arbeiterkreis fordert daher einen breiten partizipativen Prozess.

REFRAMING – UMERINNERN STATT UMBENENNEN?

Düsseldorf postkolonial plädiert „[…] für eine Namensgebung mit lokalen Bezügen, aber aus der lokalen Kolonialzeit. Die Straßen sollen Namen erhalten, die die Erinnerung an die deutsche Kolonialzeit nicht auslöschen, sondern beibehalten, allerdings mit einer neuen Perspektive.“ (Sprecher Hans Schuller) „Die bloße Umbenennung wäre ein leichtfertiges Entsorgen der Geschichte. Deshalb muss man die Aufarbeitung durch Erinnerungsorte verankern und ein nachhaltiges Erinnerungs- und Lernkonzept zur Düsseldorfer Kolonial- und Globalgeschichte entwickeln.“ Dabei sollen zivilgesellschaftliche Initiativen, POC-Gruppen, Anwohner:innen und kolonialhistorische Expertise miteinbezogen werden. Durch ein Umerinnern statt Umbenennen soll eine breitere Legitimation der Straßenumbenennung und gleichzeitig eine intensivere Auseinandersetzung mit der Düsseldorfer Kolonialgeschichte erfolgen. Das heißt, Aspekte und Perspektiven der Kolonialgeschichte zu zeigen, die bisher unbeachtet geblieben sind, wie der antikoloniale Widerstand. „Die geehrte Person sollte dem Leitgedanken der Landeshauptstadt von Weltoffenheit, Toleranz und Menschlichkeit nicht entgegenstehen. Jüngere Generationen müssen in der geehrten Person einen Vorbildcharakter für ein gesamtstädtisches Gemeinwesen erkennen können.“ so der Arbeiterkreis.

DÜSSELDORF UND DER KOLONIALISMUS

1881 wurde in der Alten Tonhalle „Der Westdeutsche Verein für Kolonisation und Export“ (WVKE) gegründet. Bis in die 1940er fanden dort Vorträge, Feste und Kongresse zu kolonialen Themen statt. Kamerun war bis 1919 deutsche Kolonie. Bis 1944 wurden im Düsseldorfer Löbbecke-Museum sogenannte „Kolonialschauen“ über Kamerun veranstaltet, in denen Menschen, Tiere, Pflanzen und Grundlagen deutscher Kolonialwirtschaft aus Kamerun den Düsseldorfer:innen präsentiert wurden.

DREI VORSCHLÄGE FÜR ALTERNATIVE NAMEN

Rudolf Duala Manga Bell (1873-1914),

War König der Duala im heutigen Kamerun. Anfänglich hatte er mit deutschen Kolonialautoritäten kooperiert, doch als deren Kolonialpolitik immer aggressiver wurde, setzte er sich zu Wehr (1914). Daraufhin wurde er aufgrund seines antikolonialen Widerstandes hingerichtet.

Kum’a Mbappé (Lock Priso) (1846-1916)

War König der Bele Bele in Bonabéri (heute ein Stadtteil von Douala, größte Stadt Kameruns). Als einziger König in Kamerun stellte er sich gegen die Deutschen und weigerte sich, den Vertrag zum „deutschen Schutzgebiet“ zu unterzeichnen (1884). Bewaffnet leistete er Widerstand, doch 1885 war er gezwungen zu kapitulieren und einen Friedensvertrag mit dem Deutschen Reich unterzeichnen.

May Ayim (1960-1996; geboren May Opitz)

Deutsche Dichterin, Pädagogin und Aktivistin der afrodeutschen Bewegung. Sie war maßgeblich an der Erforschung der Schwarzen Geschichte Deutschlands beteiligt und ist eine Pionierin der kritischen Weißseinsforschung in Deutschland.

CALL TO ACTION

Die Entscheidung und das Recht Straßennamen zu ändern, liegt allein beim Rat der Landeshauptstadt Düsseldorf. Aufgrund der Pandemie und der Kommunalwahl 2020 fiel das Thema immer wieder hinten über. Erst im März 2021 folgte die schwarz-grüne Ratsmehrheit der Empfehlung des wissenschaftlichen Beirats in elf Fällen. Zur Umsetzung ist es bislang jedoch nicht gekommen. In den Fraktionen von CDU, Grüne, SPD/Volt und FDP ist man sich aber zumindest einig, dass die Anwohner:innen der Straßen in den Prozess miteinbezogen werden sollen.

Haltet ihr Straßenumbennnungen für sinnvoll?

Wer sollte an Stelle der Kolonialisten geehrt werden? 

Und welche Strategien gibt es, die Straßen umzubenennen, ohne damit die koloniale Vergangenheit einfach auszuradieren?

QUELLEN

Gaasterland, Hendrik: „Düsseldorf postkolonial“ – Sodenstraße soll auch auf Streichliste, 2020. In: RP ONLINE. https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/duesseldorf-postkolonial-sodenstrasse-soll-auch-auf-streichliste_aid-48579795. Letzter Zugriff am 02.04.2022. –

Straßen mit neuer Perspektive umbenennen, 2021. In: Düsseldorfer Anzeiger. https://www.duesseldorfer-anzeiger.de/duesseldorf/kolonialzeit-strassennamen-umbenennen-duesseldorf_aid-59287669. Letzter Zugriff am 02.04.2022. –

Prüfung Düsseldorfer Straßennamen, 2020. In: www.duesseldorf.de. https://www.duesseldorf.de/aktuelles/news/detailansicht/newsdetail/pruefung-duesseldorfer-strassennamen.html. Letzter Zugriff am 02.04.2022. –

Umbenennung von Straßen in Düsseldorf: Initiative kritisiert Entscheidungen, 2020. In: Westdeutsche Zeitung. https://www.wz.de/nrw/duesseldorf/umbenennung-von-strassen-in-duesseldorf-initiative-kritisiert-entscheidungen_aid-48581159. Letzter Zugriff am 02.04.2022. –

Schmitz, Oliver: Düsseldorf will Straßen umbenennen – auch die Porschestraße, 2021. In: 24RHEIN. https://www.24rhein.de/duesseldorf/duesseldorf-strassen-umbennenung-namen-antisemitismus-nationalsozialismus-kolonialismus-buergerbeteiligung-90986193.html. Letzter Zugriff am 02.04.2022. –

Kwesi Aikins, Joshua und Kopp, Christian: Dossier: Straßennamen mit Bezügen zum Kolonialismus in Berlin, 2007. https://eineweltstadt.berlin/wp-content/uploads/dossier-koloniale-strassennamen-2008.pdf. Letzter Zugriff am 02.04.2022.

Simone Dede Ayivi im Gespräch mit Timo Grampes: Eine Deutschlandkarte kolonialer Straßennamen, 2020. In: Deutschlandfunk Kultur. https://www.deutschlandfunkkultur.de/internetseite-tearthisdown-eine-deutschlandkarte-kolonialer-100.html. Letzter Zugriff am 02.04.2022. –

Bechhaus-Gerst, Marianne: Koloniale Straßennamen und Erinnerungskultur, 2018. https://www.vr-elibrary.de/doi/abs/10.7788/boehlau.9783412211646.237. Letzter Zugriff am 02.04.2022.

Michels, Stefanie: Kolonialbewegung in Düsseldorf. In: Deutschland postkolonial. http://deutschland-postkolonial.de/portfolio/kolonialbewegung/. Letzter Zugriff am 6.04.2022.